Schlagwörter
Erntedankgeschichte, Erntegeschichte, Geschichte für Senioren, Geschichte von der Wertschätzung, Herbstgeschichte, Kindergeschichte, Lebensmittelgeschichte, Müllgeschichte
Ernte aus dem Müll
Eine etwas andere Geschichte (nicht nur) zu Erntedank
„Psst! Passt auf!“
Vorsichtig schlichen drei kleine dunkle Gestalten über den Parkplatz des Supermarktes. Nur ganz wenige Autos standen noch da. Das war gut, denn es verringerte die Gefahr, entdeckt zu werden. Aber es war auch weniger gut, denn auf einem fast leeren Parkplatz konnte man sich im Notfall nicht verstecken. Und ein Notfall wäre es, wenn ein Erwachsener sie hier entdeckte. Es war nämlich schon spät am Abend und es war dunkel. Noch nie waren die Freunde Jan, Mark und Annabel hier so spät unterwegs gewesen. Doch heute musste es sein.
„Psst!“ Annabel deutete zu den großen Fenstern des Supermarktes. Sie waren dunkel. Da war nur ein kleines Licht im hinteren Teil des großen Verkaufsraumes.
„Ich glaube, die Luft ist rein“, flüsterte sie den Freunden zu. „Das Zielobjekt ist unbewacht. Wir müssen trotzdem leise sein.“
„Klaro!“ Ihre Komplizen Jan und Marc nickten.
„Entern wir es!“, flüsterte Mark zurück und Jan hob den Arm.
„Bei Zehn schlagen wir zu!“, bestimmte er. Er sah sich noch einmal prüfend um, dann begann er zu zählen. „Eins, zwei, drei, vier …“
Und dann preschten sie auf ihr Ziel, die großen Müllcontainer auf der Rückseite des Gebäudes, zu. Ohne sich noch einmal umzusehen, öffneten Jan und Mark die schwere Klappe und Annabel richtete die Taschenlampe ins Innere des Containers.
„Seht nur! Hier sind wir richtig. Wir haben recht gehabt. So viele Schätze liegen hier.“
Vor lauter Staunen vergaßen die Freunde, länger leise zu sein. Sie hatten es eigentlich nicht glauben wollen, wenn sie hörten, dass Tag für Tag Lebensmittel weggeworfen werden. Doch nun sahen sie es mit eigenen Augen. Brote, Kuchen, Käse, Wurst, Kekse, Obst, Gemüse, sogar Kaffeedosen, Milchbeutel, Marmeladegläser und Konservendosen mit Dellen und sogar Schnittrosen, die etwas aufgeblüht waren, lagen vor ihnen in dem riesengroßen Müllcontainer.
„Wie gemein das ist!“ Annabel traten Tränen in die Augen.
„Eine Sauerei ist es!“, polterte Mark los. „Wo doch so viele Menschen Hunger haben!“
Jan sagte nichts. Er fotografierte bereits mit Mamas Handy. Das war nämlich der Plan.
Klick! Klick! Klick! Zehn, zwanzig, dreißig Fotos und mehr. Müllfotos.
„Los. Packt ein!“ Er zog zwei große leere Tüten aus der Jackentasche und reichte sie Annabel und Mark. „Packt von jedem etwas ein. Von jeder Sorte eines.“
„Aber wir wollten doch nichts wegnehmen“, keuchte Mark mit vor Schreck geweiteten Augen. „Das ist Diebstahl.“
Annabel aber begann schon, ihre Tüte zu füllen.
„Das sind Beweise“, sagte sie mit ernster Miene. „Wir legen sie am Sonntag beim Erntedankmarkt auf unseren Tisch. Dann kann jeder sehen, was er sonst nicht glauben mag.“
„Gute Idee!“
Schnell packen die Freunde die Tüten voll bis zum Rand. Damit alle alles ganz genau sehen konnte. Ihre ‚Ernte’ aus dem Müll und die Fotos. Eine Überraschung zum Erntedank.
© Elke Bräunling
Aus dem Buch: Omas Herbstgeschichten
Taschenbuch: Omas Herbstgeschichten: Geschichten und Märchen zum Herbst für Kinder *
Ebook mobi: Omas Herbstgeschichten: Geschichten und Märchen zum Herbst *
*Affiliate Link
Erntedank, Bildquelle © LubosHouska/pixabay
finbarsgift sagte:
leider ist heutzutage
erntedank nicht mehr das
was es früher einmal war…
schöne geschichte
lg vom lu
Märchenflüsterin sagte:
Danke, lieber Lu.
Ich glaube, das Bewusstsein zu Ernte und Danken wird langsam wieder größer, vor allem in vielen jungen Familien.
Lieber Gruß
Elke
freiedenkerin sagte:
Leider ist das eine sehr wahre Geschichte… So vielen von uns ist mittlerweile völlig die Scham verloren gegangen, die Reue und das Bedauern, das sich früher stets eingestellt hatte, wenn man eigentlich notgedrungen Lebensmittel wegwerfen musste…
Liebe Grüße!
Märchenflüsterin sagte:
Ich könnte heulen, wenn ich nur daran denke. Was kann man tun? Das Bewusstsein schärfen, doch leider ist es im Alltag so, dass viele Menschen glauben, sich ein Leben ohne jene Supermärkte nicht leisten können. Es ginge auch anders. Wir haben das im Selbsttest ausprobiert. Man kann auch mit nachhaltig erzeugten Produkten preisgünstig sich ernähren. DAS müsste man in die Köpfe der Menschen kriegen. Nur wie?
Liebe Grüße und Daumendrück zum Wiesn-Endspurt
Elke
Pingback: Vom Ernten und Stoppeln | Herbstzeit
Pingback: Erntedank und Gartenglück | Herbstzeit